Primarschule Uster
Logopädinnen und Logopäden unterstützen Kinder mit Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung. Wir haben mit Mirjam Krobisch über ihre Arbeit gesprochen und über den Einfluss der digitalen Medien auf die frühkindliche Entwicklung.
Entweder beobachtet die Lehrperson selber etwas und fragt die Eltern, ob sie mit einer Abklärung einverstanden wären, oder eine Logopädin empfiehlt dies nach einem Screening in der Klasse. Auch die Eltern selbst können sich bei uns melden, wenn sie besorgt sind.
Zuerst spreche ich mit den Eltern, während das Kind für sich spielt. Ich möchte zum Beispiel wissen, ob sie sich Sorgen machen wegen der Sprache oder wegen des Lesens und Schreibens. Danach beschäftige ich mich mit dem Kind. Meine Beobachtungen und Testergebnisse bespreche ich im Anschluss mit den Eltern und wir legen fest, wie das Kind am besten unterstützt werden kann.
Als Erstes muss man sagen, dass elektronische Medien zu unserer Gesellschaft gehören und der Umgang damit für uns alle eine Herausforderung ist. Das Problem liegt darin, dass hoher Bildschirmkonsum sich nicht nur auf die Sprache auswirkt, sondern auch auf die Konzentrationsfähigkeit, das Sozialverhalten, den Schlaf, das Essverhalten, die motorische Entwicklung, die Stimmung und den Erfahrungsschatz. Ein fünfjähriges Kind hat in der Regel Freude an Rollenspielen, es hat Fantasie, es kann mit Stift und Schere umgehen und spricht in korrekten, auch längeren Sätzen. Wenn ein Kind in diesem Alter sehr passiv ist oder so aktiv, dass es sich mit nichts länger beschäftigen kann, dann könnte dahinter ein übermässiger Medienkonsum stehen, zumindest als verstärkender Faktor.
Das ist nicht immer einfach, denn die Zusammenhänge können komplex sein. Störungen in der Sprachentwicklung sind meistens genetisch bedingt durch eine weniger gute Sprachverarbeitung. Dazu kommt der Einfluss der Umwelt, wie zum Beispiel welchen sprachlichen Rucksack das Kind auf den Weg bekommen hat. Der Medienkonsum ist nicht die alleinige Ursache von Schwierigkeiten beim Erlernen der Sprache. Aber er wirkt wie Öl im Feuer.
Vor dem Bildschirm ist wenig Sprachverarbeitung nötig und das Kind fühlt sich gut unterhalten. Die schnellen Bildwechsel stimulieren das Gehirn und trainieren dem Kind sozusagen Konzentrationsschwierigkeiten an. Ohne diese Stimulation wird es dem Kind zudem rasch langweilig. Wichtig für die Entwicklung eines Kindes ist, dass es nebst dem Medienkonsum viel direkte Zuwendung von seinen Eltern bekommt und mit anderen Kindern spielen und Dinge entdecken kann.
In den letzten Jahren fällt auf, dass es immer mehr Kinder gibt, die weniger gut in Kontakt treten und spielen können. Ebenfalls häufiger kommt vor, dass Kinder in englischen Floskeln sprechen statt in ihrer Umgebungssprache. Es geht oft nicht um eine reine Sprachentwicklungsstörung, sondern um die gesamte Entwicklung – zum Beispiel die Feinmotorik, den Umgang mit Emotionen, das Essverhalten oder die Selbstständigkeit.
Es ist wichtig, die Eltern früh in Bezug auf den Medienkonsum zu beraten. Wir wollen aufklären, nicht verbieten, und wir wollen das Bewusstsein fördern, dass dieser für Kinder unter drei Jahren schädlich ist. Elektronische Medien sind omnipräsent im Leben der Erwachsenen und Kinder. Man muss sich aber bewusst sein, dass solche Medien die Kinder sehr faszinieren und sie immer mehr davon möchten. Einige Kinder werden dadurch zunehmend unruhig, unkonzentriert und haben zu wenig Bewegung. Fehlt die Reizüberflutung, wird ihnen langweilig und sie wissen nichts mit Spielsachen anzufangen. Diese Kinder gehen zum Beispiel von einem Spiel zum nächsten und nehmen weniger Blickkontakt auf.
In der Beratung geht es vor allem darum, wie sie die medienfreie Zeit mit ihrem Kind sprachförderlich gestalten können. Wichtig ist zum Beispiel, dass Eltern aktives Interesse an der Lebenswelt des Kindes zeigen und sich mit ihm beschäftigen. Das Kind braucht Gelegenheiten, um sich im Sprechen zu üben. Wir Erwachsenen sind Vorbilder für die Kinder. Wenn wir selber weniger vom Handy abgelenkt sind und uns dem Kind zuwenden, kann sich auch das Kind besser medienfrei beschäftigen und in einem guten Kontakt sein. Wenn Bildschirmzeit, dann am besten zeitlich beschränkt mit geeigneter Auswahl. «Pepa Wutz» zum Beispiel hat langsamere Bildwechsel und gibt sprachlich etwas her.
Kinder ohne Frustrationstoleranz, die keine Grenzen akzeptieren, Wutanfälle bekommen oder sich kaum mehr ausdrücken können: Zu viel Bildschirmzeit kann im Hirn negative Spuren hinterlassen – auch bei Erwachsenen. Immerhin: Der immense Einfluss der digitalen Medien lässt sich auch positiv nutzen. Die Sendung Puls von SRF ist dem Thema nachgegangen.